VERBAND DER PARLAMENTS- UND VERHANDLUNGSSTENOGRAFEN E.V.

aus: NStPr 1 (1953), Heft 2, S. 47 – 49

Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches fanden sich bald Vertreter der politischen Parteien, der Wirtschaft, der Kirchen und der Hochschulen des hannoverschen Raumes zusammen. Sie faßten am 31. Oktober 1945 folgende Resolution:

Der preußische Staatsverband besteht nicht mehr. Die bisherige Provinz Hannover ist für ihren Bereich Träger der Staatshoheit geworden. Hannover ist nunmehr ein Land des Deutschen Reiches. In einmütigem Entschluß aller sie repräsentierenden Verbände tritt die Bevölkerung des Landes Hannover auf den Boden dieser Tatsache. Sie erwartet von ihren Vertretern die alsbaldige Inangriffnahme einer demokratischen Neuordnung. Die Regierung und Verwaltung des Landes führt der Oberpräsident als Landespräsident.

Diese Resolution wurde am 6. November 1945 dem britischen Gebietsbevollmächtigten für die Region Hannover, General Lingham, überreicht.

Am 23. August 1946, dem Jahrestag des Prager Friedens, mit dem das Königreich Hannover vor 8 Dezennien seine Selbständigkeit verlor, teilte die britische Militärregierung, Region Hannover, mit, daß „die Gründung des Landtages gebilligt“ sei. Noch am gleichen Tage fand die konstituierende Sitzung des Hannoverschen Landtages statt, dem 81 Abgeordnete angehörten, die auf Vorschlag der politischen Parteien von der Militärregierung ernannt worden waren. Insgesamt trat dieses parlamentarische Gremium dreimal - am 23. und 24. August und am 29. Oktober 1946 — zusammen. Die erste Sitzung wurde von den Verhandlungsstenographen Zimmer und Tiefel, der vor 1933 im Hessischen und Württembergischen Landtag tätig war, aufgenommen. Die zweite Sitzung nahm Herr Zimmer allein wahr. An der Herstellung des Stenographischen Berichts über die dritte Sitzung waren neben dem Verfasser dieser Zeilen die Stenographen Klockmann und Plötz beteiligt.

Der Verdienste, die sich Kollege Woldemar Mette (Hannover), langjähriger Stenograph im früheren Hannoverschen Provinziallandtag, um den Aufbau des Stenographischen Dienstes des Niedersächsischen Landtages erworben hat, sei an dieser Stelle dankbar gedacht.

Durch die Verordnung Nr.55 der britischen Militärregierung wurden mit Wirkung vom 1. November 1946 die Länder Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe aufgelöst und aus ihnen das Land Niedersachsen gebildet. In der Verordnung wurde ferner bestimmt:

Die Hauptstadt Niedersachsens ist Hannover. Im Lande Niedersachsen wird eine gesetzgebende Körperschaft errichtet. Einstweilen bestimmt der Militärgouverneur die Zusammensetzung dieser Körperschaft und ernennt deren Mitglieder.

Der so ernannte Niedersächsische Landtag, dem 86 Mitglieder, unter ihnen der verstorbene Dr. Schumacher, angehörten, konstituierte sich am 9. Dezember 1946, verabschiedete als wichtigste Gesetze das Gesetz über die vorläufige Ordnung der niedersächsischen Landesgewalt sowie das Landeswahlgesetz und beendete seine Tätigkeit mit der 13. Sitzung am 28. März 1947. In dieser kurzen Legislaturperiode fanden 58 Ausschußsitzungen statt. Über sämtliche Ausschußsitzungen wurden von den Landtagsstenographen Niederschriften angefertigt, die nach der Geschäftsordnung insbesondere die gefaßten Beschlüsse enthalten mußten, darüber hinaus aber erkennen lassen sollten, unter welchen Gesichtspunkten es zu den Beschlüssen gekommen war.

Am 1. Dezember 1946 wurde der Unterzeichnete, der ab Mitte Oktober als Honorarstenograph auch die Ausschußsitzungen protokolliert hatte, als Landtagsstenograph übernommen. Damit war der erste Schritt zum Aufbau des Stenographischen Dienstes getan. Bereits im Laufe des nächsten Vierteljahres traten die Kollegen Klockmann (am 1. Februar 1947) und Salowsky (am 1. März 1947), die in den ersten fünf bzw. zehn Plenarsitzungen als Honorarstenographen mitgewirkt hatten, in den Dienst des Landtages. Bis März 1949 wurde zu fast allen Plenarsitzungen der Pressestenograph Plötz herangezogen; mehrfach wirkte auch Kollege Oskar Kämmer (Braunschweig) mit.

Nachdem durch die Verabschiedung des Landeswahlgesetzes die Voraussetzung für die Wahl der neuen gesetzgebenden Körperschaft geschaffen worden war, traten die am 20. April 1947 gewählten Mitglieder des Niedersächsischen Landtages der ersten Wahlperiode erstmalig am 13. Mai 1947 im Landtagsgebäude (Stadthalle) zusammen, während die Verhandlungen der früheren Landtage im Hodler-Saal des Rathauses stattgefunden hatten. Von den 149 Abgeordneten gehörten 65 der SPD, 30 der CDU, 27 der DP, 13 der FDP, 8 der KPD und 6 dem Zentrum an. Unter ihnen befanden sich bekannte Politiker wie die Bundesminister Dr. Seebohm und Hellwege und die Bundestagsabgeordneten Dr. Greve, Kriedemann, Dr. Mühlenfeld und Naegel. Der Landtag der ersten Wahlperiode hielt 130 Plenarsitzungen, 1165 Ausschußsitzungen und 12 öffentliche Beweiserhebungen dreier parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ab. Besonders die kontradiktorischen Verhandlungen der Untersuchungsausschüsse stellten hohe Anforderungen an den Stenographischen Dienst. Die Krönung der Arbeiten des ersten gewählten Landtages war die Verabschiedung der Vorläufigen Niedersächsischen Verfassung am 3. April 1951. In 24 Sitzungen hatte der Verfassungsausschuß den Verfassungsentwurf beraten; auf 707 Druckseiten wurden die Verhandlungen festgehalten.

Durch den Eintritt der Kollegen Chlumsky und Knoop am 1. April 1948 erfuhr der Stenographische Dienst eine wesentliche Verstärkung. In der Zeit vom 1. Mai 1949 bis 31. Oktober 1949 gehörte der vorher im Thüringischen Landtag beschäftigte Stenograph Hornig dem Stenographischen Dienst an; für ihn trat am 1. März 1950 Kollege Otte ein. Angesichts der sich ständig erhöhenden Zahl der Ausschußsitzungen wurde vom Landtag eine 7. Stenographenstelle bewilligt, die am 1. Oktober 1950 mit der Kollegin Woytzyk besetzt wurde. Schließlich trat am 15. November 1951 für den am 1. Oktober 1951 zum Bundestag übergetretenen Kollegen Otte der Kollege Schulze (Lüneburg) ein. Als Honorarstenographen wirkten im ersten gewählten Landtag von Fall zu Fall die Kollegen Oskar Kämmer und Kühnel mit. Vermerkt sei noch, daß in den Plenarsitzungen im 20-Minuten-Turnus gearbeitet wird. Eine gute Stunde nach Schluß der Plenarsitzung liegt die Übertragung vor, obwohl für die Übertragung nur die vierfache Zeit zur Verfügung steht. Ausschußsitzungen werden in der Regel mit einem Kollegen beschickt.

Von Interesse dürfte noch sein, daß von 1946 bis zum heutigen Tage — über vier Landtagsperioden — sowohl das Amt des Landtagspräsidenten als das des Ministerpräsidenten in denselben Händen verblieben ist. Landtagspräsident ist seit 1946 Karl Olfers (Cuxhaven), Ministerpräsident ist Hinrich Wilhelm Kopf, der im Sommer 1945 von der Militärregierung als Oberpräsident der Provinz Hannover berufen worden war.