VERBAND DER PARLAMENTS- UND VERHANDLUNGSSTENOGRAFEN E.V.

aus: NStPr 59/3 (2011) 79–82

Angeregt durch die seit langen Jahren in der „Neuen Stenografischen Praxis" veröffentlichten Berichte über die Ereignisse in den jeweiligen Wahlperioden des Bundestages und verschiedener Landtage und unterstützt durch beharrliches Nachfragen des Schriftleiters unserer Verbandszeitschrift, haben wir uns entschlossen, die interessierten Kolleginnen und Kollegen in den anderen Parlamenten erstmals seit langem über das Geschehen in Rheinland-Pfalz, einem der kleineren deutschen Flächenländer, zu informieren. Neben dem Wahlergebnis und der Regierungsbildung sollen dabei auch einige wichtige landespolitische Themen sowie die Situation im Stenografischen Dienst angesprochen werden.

Wahlergebnisse

Nachdem in der 14. Wahlperiode des rheinland-pfälzischen Landtags noch vier Fraktionen – SPD, CDU, FDP und DIE GRÜNEN – vertreten gewesen waren, scheiterten bei der Wahl 2006 DIE GRÜNEN knapp an der 5‑%-Hürde, sodass nur noch drei Fraktionen im Parlament vertreten waren. Im Einzelnen stellte sich die Situation wie folgt dar:

Bei einer Wahlbeteiligung von 58,2 % erreichte die SPD 45,6 % der Stimmen und konnte mit 53 von 101 Sitzen allein die Regierung stellen, was etwaige Koalitionsverhandlungen überflüssig machte. Die CDU errang mit 32,8 % der Stimmen 38 Sitze, und die 8 % der FDP brachten ihr 10 Sitze im Plenum ein. Die restlichen angetretenen Parteien spielten keine große Rolle, da auf sie jeweils weniger als 2 % der Stimmen entfielen.

Konstituierung und Regierungsbildung

In seiner konstituierenden Sitzung am 18. Mai 2006, die von Alterspräsident Werner Kuhn eröffnet wurde, wählte der Landtag Joachim Mertes zum Präsidenten sowie Hannelore Klamm, Hans-Artur Bauckhage und Heinz-Hermann Schnabel zu Vizepräsidenten.

Kurt Beck wurde erneut zum Ministerpräsidenten gewählt und begann die Wahlperiode mit folgendem Kabinett: stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur Prof. Dr. Jürgen Zöllner, Innenminister Karl Peter Bruch, Minister der Finanzen Prof. Dr. Ingolf Deubel, Minister der Justiz Dr. Heinz Georg Bamberger, Ministerin für Arbeit, Soziales, Familie und Frauen Malu Dreyer, Ministerin für Bildung, Frauen und Jugend Doris Ahnen, Ministerin für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz Margit Conrad sowie Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau Hendrik Hering.

Nach dem Weggang von Prof. Dr. Zöllner als Wissenschaftssenator nach Berlin wurde Doris Ahnen am 6. Dezember 2006 Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur. Malu Dreyer erhielt in ihrem bisherigen Ministerium zusätzlich die Zuständigkeit für den Bereich der Frauen. Als stellvertretender Ministerpräsident wurde Innenminister Karl Peter Bruch bestellt. Im Juli 2009 folgte Dr. Carsten Kühl Prof. Dr. Ingolf Deubel nach, der wegen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung von Investitionen am Nürburgring zurückgetreten war; er wurde an seiner Stelle zum Minister der Finanzen ernannt.

Arbeitsumfang

Bedingt durch die Einsetzung von drei Untersuchungsausschüssen sowie drei Enquete‑Kommissionen, nahm der Arbeitsumfang für den Stenografischen Dienst dermaßen zu, dass vermehrt die Hilfe von Gaststenografen über Plenarsitzungen hinaus in Anspruch genommen werden musste. Insgesamt fanden 53 Untersuchungsausschusssitzungen statt, die sich folgendermaßen aufteilten: UA 15/1 „Arp" 12 Sitzungen, UA 15/2 „Nürburgring GmbH" 32 Sitzungen und UA 15/3 „CDU-Fraktionsfinanzen der Jahre 2003 bis 2006" 9 Sitzungen.

Auf die drei Enquete‑Kommissionen entfielen insgesamt 51 Sitzungen, und zwar 18 auf die EK 15/1 „Klimawandel", 21 auf die EK 15/2 „Integration und Migration in Rheinland-Pfalz" sowie 12 auf die EK 15/3 „Verantwortung in der medialen Welt".

Darüber hinaus durfte der Stenografische Dienst noch 574 Sitzungen der Fachausschüsse, 16 Sitzungen der Rechnungsprüfungskommission, 54 Sitzungen des Ältestenrates sowie 111 Plenarsitzungen protokollieren.

Wichtige landespolitische und länderübergreifende Themen

Am 27. Januar eines jeden Jahres hält der Landtag von Rheinland‑Pfalz eine Sitzung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus ab. Diese fanden in den Jahren 2007, 2008 und 2010 im Deutschhaus in Mainz, dem Sitz des Landtags, statt sowie 2009 im Pfalzklinikum Klingenmünster und 2011 in der Synagoge der Jüdischen Gemeinde zu Mainz.

Seit dem 15. April 2007 ist Edgar Wagner als Nachfolger von Prof. Dr. Walter Rudolf rheinland-pfälzischer Landesbeauftragter für den Datenschutz. Ein herausragendes Thema in diesem Zusammenhang war der „Große Lauschangriff".

Das 60-jährige Bestehen des Landes Rheinland-Pfalz wurde anlässlich des Verfassungsfestes am 18. Mai 2007 mit einem Tag der offenen Tür gefeiert, in dessen Rahmen sich auch der Stenografische Dienst des Landtags präsentierte.

Auch beim Landesrechnungshof stand ein Wechsel in der Leitung an. Hier folgte am 1. Juli 2007 Klaus Peter Behnke Volker Hartloff nach.

In der Plenarsitzung am 25. August 2007 gedachte der Landtag Rheinland-Pfalz des 25‑jährigen Bestehens der Partnerschaft des Landes Rheinland-Pfalz mit dem zentralafrikanischen Staat Ruanda, die auch als sogenannte Graswurzelpartnerschaft bezeichnet wird. Dieser Begriff besagt, dass mit kleinen und überschaubaren Selbsthilfeprojekten unmittelbare Hilfe für die Menschen vor Ort geleistet wird.

Ein weniger erfreuliches Ereignis stand am 28. August 2008 auf der Tagesordnung des Landtags. An diesem Tag gedachten die Abgeordneten der Opfer der Katastrophe anlässlich eines Flugtages im pfälzischen Ramstein im Jahr 1988. Damals wurden beim Absturz mehrerer Maschinen einer Kunstflugstaffel Dutzende von Menschen getötet und eine Vielzahl von Zuschauern verletzt.

Am 28. April 2010 fand die Wahl des Abgeordneten Dieter Burgard zum Bürgerbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz als Nachfolger von Ullrich Galle statt, der überraschend zurückgetreten war.

In der Plenarsitzung am 8. September 2010 wurde das Landesgesetz zur Kommunal- und Verwaltungsreform angenommen. Das Ziel dieses Gesetzes besteht unter anderem darin, größere und leistungsfähigere Gebietskörperschaften zu schaffen.

Am 17. November 2010 wurde ein Misstrauensantrag gegen den Minister der Justiz, Dr. Heinz Georg Bamberger, abgelehnt. Auch die danach von den Oppositionsfraktionen eingereichte Ministeranklage gegen den Justizminister wurde am 16. Februar 2011 abgelehnt. Diese Misstrauensbekundung seitens der Opposition stand im Zusammenhang mit dem Besetzungsverfahren des Postens des OLG‑Präsidenten Koblenz, bei dem der unterlegene Bewerber wegen seiner Nichtberücksichtigung den Rechtsweg beschritten hatte.

Ein weiteres wichtiges Datum war die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz am 16. Dezember 2010.

Im Februar 2011 erfolgte die Einführung der öffentlichen Petition beim Landtag Rheinland-Pfalz. Somit erhalten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich über das Internet einer Petition von allgemeinem Interesse anzuschließen.

Als weitere landespolitisch bedeutsame Themen sind unter anderem die Vorgänge um die kostenträchtige Renovierung des Schlosshotels in Bad Bergzabern, mit denen sich der Landtag in mehreren Plenar- und Ausschusssitzungen beschäftigte, sowie die Einführung der „Realschule plus" als neue Schulform zu nennen.

Situation im Stenografischen Dienst

Nach dem altersbedingten Ausscheiden von Horst Heinz Engels, der auf fast 40 Jahre Tätigkeit im Stenografischen Dienst des Landtags von Rheinland-Pfalz zurückblicken konnte, trat Brigitte Britzke seine Nachfolge an, die bereits 1980 direkt nach dem Abitur ihren Dienst beim Landtag Rheinland-Pfalz angetreten hat. Derzeit sind im Stenografischen Dienst sechs Stenografinnen, zwei Stenografen sowie vier Schreibkräfte – ausschließlich weiblich – beschäftigt, sodass man sich über die Einführung einer Frauenquote absolut keine Gedanken zu machen braucht.

Mit Beginn der 15. Wahlperiode endete auch im rheinland-pfälzischen Landtag der jahrzehntelang bewährte Einsatz von Uher‑Tonbandgeräten. Sie wurden durch eine digitale Aufnahmetechnik mit dem Diktiergerät DS 4000 und den Aufnahmegeräten DS 2200 bzw. DS 50 von Olympus ersetzt. Die Aufnahmen aus dem Plenarsaal erfolgen über eine Tonleitung, wobei Beginn und Ende der Aufnahme vom Büro aus gesteuert werden können.

Nach der Wahl 2011 werden wir es – wie bisher – nur mit drei Fraktionen im Landtag zu tun haben, scheiterte doch die FDP dieses Mal an der 5‑%-Hürde, während DIE GRÜNEN nun gestärkt mit 15,4 % wieder im Landtag vertreten sind. In dieser Legislaturperiode wird Rheinland-Pfalz erstmals in seiner Geschichte von einer Koalition aus SPD und GRÜNEN regiert werden, was noch vor einigen Jahren undenkbar schien und sicherlich neue landespolitische Veränderungen mit sich bringen wird. Dadurch werden sich voraussichtlich auch neue Herausforderungen für die Arbeit der Stenografen ergeben, denen wir uns sehr gerne stellen werden.