aus: NStPr 57/2 (2009)
Wieder einmal lud der Verband der Parlaments- und Verhandlungsstenografen zu einer Fachtagung ein, und zwar in die schöne Stadt Würzburg im bayrischen Regierungsbezirk Unterfranken. Am Freitagabend trafen sich die ersten Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu einem gemütlichen Beisammensein im Post-Hotel, in dem auch die meisten Besucher der Tagung wohnten. Bei gutem Essen und Trinken wurde gefachsimpelt, diskutiert, wurden neue und alte Erkenntnisse ausgetauscht. Am Samstag begann dann die eigentliche Tagung mit dem Thema "Brain-Management für Berufsstenografen - Geistiges Potenzial optimal nutzen".
Frau Elisabeth Liebler aus Wachenroth erzählte Wissenswertes über die Funktionen des menschlichen Gehirns und dass auch die Gehirnzellen ein Aerobic-Training benötigen, also Bewegung! Beispielsweise tut Jonglieren dem Gehirn gut! Gehirnjogging hilft, das Gehirn aufzuwecken: Sagen Sie einmal die Wochentage nach dem Alphabet auf!
Auch die Ernährung nimmt Einfluss auf die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns. So helfen Vollkornprodukte, Obst und Studentenfutter (Nüsse mit Rosinen) ebenso wie viel Trinken und Fisch dem Gehirn, seine Fähigkeiten voll zu entfalten. Auch ausreichender Schlaf fördert die Tätigkeit des Gehirns, denn im Schlaf speichert das Gehirn die Dinge einfacher. Was man vor dem Schlafen wiederholt, bleibt besser in Erinnerung. Ohne ausreichenden Schlaf ist der Tag sehr viel anstrengender für das Gehirn. Die Wahrnehmung unserer Umwelt mit allen Sinnen ist ebenfalls eine gute Übung, unser Gehirn zu Höchstleistungen anzuspornen. Und wenn man Leistungen erbringen soll, braucht man auch Entspannung zwischendurch. Gönnen Sie sich ab und zu Mini-Pausen, in denen Sie beispielsweise Atemübungen oder ähnliche Entspannungstechniken durchführen. Ein kleiner Tipp für flaue Zeiten im Büro: Bewegen Sie sich, telefonieren Sie oder kommunizieren Sie mit Kollegen!
Wichtig für die Gehirntätigkeit ist, in Bildern zu denken. Je verrückter die Vorstellung von etwas ist, was man sich merken will, desto besser funktioniert es! Dabei gibt viele Möglichkeiten, das Gehirn zu trainieren, die hier aufzuzählen den Rahmen sprengen würde.
Beim zweiten Seminarteil ging es um den Umgang eines Stenografen/einer Stenografin mit Zurufen bei der Erstellung von Protokollen. Dr. Joachim Eichler aus Berlin hat sich für dieses Thema als Dozent zur Verfügung gestellt und den anwesenden Stenografen einige Tipps gegeben. Man unterscheidet zwischen verbalen, nonverbalen und sonstigen Meinungskundgebungen, die ein Stenograf bei der Erstellung eines Wortprotokolls festhält und wiedergibt.
Zu den verbalen Meinungskundgebungen gehören Zurufe und Zwischenrufe, die einzelne Wörter beinhalten oder ganze Sätze, aber auch Oh-Rufe usw. Zu den nonverbalen Meinungskundgebungen gehören der Beifall, die Unruhe und Gelächter. Die sonstigen Meinungskundgebungen umfassen Bewegung auf der Zuschauertribüne, das Hochhalten von Plakaten oder Ähnlichem, die Überreichung von Blumensträußen und das Anziehen oder Anlegen bestimmter Kleidungsstücke oder Accessoires. Nicht dazu zählen: Zeitung lesen, am Laptop arbeiten, telefonieren oder den Plenarsaal verlassen.
Man unterscheidet die Erfassung eines Zwischenrufes als solchen oder mit Text. Da ein späterer Redner den Zwischenruf eines Parlamentsangehörigen aufnehmen könnte, solle man versuchen, so viele Zwischenrufe wie möglich aufzunehmen, wobei aber auch Fingerspitzengefühl gefragt ist und ein gewisses Verantwortungsbewusstsein. Die Platzierung eines Zwischenrufes sollte so erfolgen, dass der Ablauf der Sitzung besser verstanden werden kann.
Herr Dr. Eichler zeigt zahlreiche Beispiele, und es stellte sich in der Diskussion heraus, dass in den einzelnen Länderparlamenten unterschiedlich mit Zwischenrufen umgegangen wird. Beispielsweise werden nicht nur in Sachsen die Zwischenrufe dem jeweiligen Redner vorgelegt. Kommt innerhalb von zwei Tagen kein Widerspruch, bleibt der Zwischenruf im Protokoll.
Das dritte Thema beinhaltete die "Sitzungsredaktion - ein Eingriff in die Souveränität des Redners?". Brigitte Hochholzer-Ulrich aus München trug vor und stellte als These fest: "Die Redaktionstätigkeit der Stenografischen Dienste ist kein Eingriff in die Souveränität des Redners, sondern eine behutsame Überführung gesprochener Sprache in geschriebene Sprache."
Die gesprochene Sprache zeichnet sich durch ihre Kurzlebigkeit und Flüchtigkeit aus, durch den Situationsbezug, die Kopräsenz mehrerer Parteien und Gemeinsamkeit der Situation sowie Interaktivität, geringe Vorausplanungskapazität und eine geringere Normierung. Deshalb sind Mittel zur Übersetzung in geschriebene Sprache erlaubt. Dazu zählen die Beseitigung von Ausklammerungen und Operator-Skopus-Strukturen. Lange, unübersichtliche Gefüge werden in überschaubare syntaktische Strukturen aufgebrochen. Syntaktische Fügungen werden aufgelöst und in andere Strukturen integriert. Die Beseitigung grammatischer, stilistischer und inhaltlicher Fehler sollte selbstverständlich sein. Auch Ergänzungen und Umformulierungen zur Klarstellung sind ein erlaubtes Mittel zum Eingreifen. Die geschriebene Sprache sollte zudem von Füllwörtern und Modalpartikeln gesäubert werden, es sei denn, die Redaktion würde damit die Aussage eines Redners verstärken oder abschwächen. Auch die Bereinigung falscher Bilder wie "zahnloses Schwert" darf Anwendung finden.
Zwischendurch stärkten wir uns natürlich mit einem Mittagessen, dem je nach Lust und Laune auch ein kleiner Spaziergang folgte. Nach dem letzten Seminarteil ging man für kurze Zeit auseinander, um sich dann am Abend zu einer Weinprobe im historischen Residenzweinkeller zu treffen. Dabei wurde geschichtsträchtiges Ambiente und moderne Weinkultur erlebbar, denn der Würzburger Hofkeller ist das älteste Weingut Deutschlands. Nach einem lehrreichen und doch fröhlichen Abend trennte man sich endgültig zur Nachtruhe, um am nächsten Morgen noch den letzten Teil des Rahmenprogramms gemeinsam zu erleben.
Die Besichtigung der Residenz Würzburg stand auf dem Programm. Man traf sich gegen 09:30 Uhr vor der ehrwürdigen Residenz, die im 18. Jahrhundert erbaut wurde und deren Schlossanlage zu den bedeutendsten Barockanlagen Europas zählt, aber auch zum Weltkulturgut der UNESCO. Unter fachkundiger Führung durften wir das Innere der ehemaligen Residenz der Würzburger Fürstbischöfe kennen lernen und die großartige Raumfolge der Residenz mit ihrem Auftakt in Vestibül und Gartensaal erleben. Ein besonderen Kunst- und Naturgenuss bot sich mit einem Bummel durch den Hofgarten, der dann den endgültigen Abschluss des Wochenendes darstellte. Mit der Hoffnung, sich im nächsten Jahr in Hannover wiederzusehen, trennte man sich und fuhr zurück nach Hause.
Ein Dank geht an dieser Stelle an den Verbandsvorstand, der es immer wieder versteht, ein interessantes und kurzweiliges Programm zusammenzustellen, natürlich aber auch an den vor Ort Verantwortlichen für das Rahmenprogramm und die gute Organisation - in diesem Falle Herrn Alfred Vogel vom Stenografischen Dienst des Bayrischen Landtags.